Vier Schülerinnen und Schüler essen gemeinsam an einer langen Tischreihe in einer Schulkantine. (Quelle: Michael Gottschalk/photothek/picture alliance)
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Sprache im Wandel: Stirbt der Gruß „Mahlzeit“ aus?

Früher hat man ihn im Arbeitsleben noch täglich zu hören bekommen: den Mittagsgruß „Mahlzeit!“. Doch wie steht es heute um die einst weit verbreitete Floskel?

Zumindest bis vor Corona schien es ein gängiges Ritual in großen Unternehmen oder Behörden zu sein: Ab etwa 12 Uhr mittags brach Unruhe aus, Flure füllten sich mit Kolleginnen und Kollegen, die Richtung Kantine strömten – und im allgemeinen Stimmengewirr war immer wieder die Floskel „Mahlzeit!“ zu hören. Der Mittagspausengruß schlechthin, auf dem Weg zum Mittagessen, sozusagen im Vorbeigehen ausgesprochen, und nicht etwa zu Beginn der Mahlzeit, wenn es meist nur „Guten Appetit“ heißt. Was hat es damit auf sich Und: Wie out ist die Grußformel, die vielen inzwischen altbacken vorkommt, wirklich?

Wenn früher jemand im Büro aufstand und „So. Mahlzeit.“ sagte, dann hieß das so viel wie „Ich gehe jetzt essen – kommt jemand mit?“. Der Ausspruch „Mahlzeit!“ scheint heutzutage jedoch weit weniger üblich zu sein als noch vor zehn Jahren – vielleicht auch, weil heute häufiger zu Hause statt im Büro und nicht gemeinsam, sondern allein vor dem Computer gegessen wird. „‚Mahlzeit‘ ist zwar durchweg deutsch, aber zweifellos aus der Mode“, meint der Frankfurter Unternehmens- und Personalberater Hans-Peter Luippold.

Von der Segensformel zum Mittagsgruß

„Mahlzeit“ wurde in vielen Gegenden Deutschlands sowie in Österreich zur Mittagszeit als knapper Gruß benutzt. Dabei handelt es sich wohl um eine Kurzform der früher verbreiteten Wendung „Gesegnete Mahlzeit!“. Die Verkürzung war schon im 19. Jahrhundert üblich, wie das Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm verrät. In der deutschsprachigen Schweiz ist der Gruß dagegen unüblich. Dort gibt es beim Verlassen des Arbeitsplatzes oder direkt vor dem Essen den schweizerdeutschen Ausspruch „En Guete!“ (Guten Appetit).

Laut Sprachwissenschaftler Manfred Glauninger von der Universität Wien handelt es sich bei „Mahlzeit!“ um eine Grußformel, die in Deutschland ursprünglich eher in katholisch geprägten Gebieten üblich gewesen sei. Es habe sich dabei ursprünglich – wie bei „Grüß Gott!“ – um eine Segensformel gehandelt.

Stirbt „Mahlzeit!“ also womöglich aus, weil viele Menschen heutzutage keinen Gottesbezug in ihrem Sprachalltag wollen? „Ich glaube, diese Konnotation und Begleitvorstellung mit dem Religiösen spielt keine Rolle beim Verschwinden. Dass „Mahlzeit!“ mal eine Art Segensformel war, das ist ja kaum bekannt“, sagt Glauninger. „Der Rückgang des Grußes hat vielleicht eher damit zu tun, dass sich die Verhaltensnormen der regelmäßigen Mahlzeiten ein bisschen verändert haben. Frühstück, Mittagessen, Abendessen – so geregelt läuft das für viele Menschen ja gar nicht mehr ab.“

Glauninger betont, dass Grußformeln eine starke soziale Komponente haben und auch Hierarchien ausdrückten. „Früher galt ‚Hallo‘ und erst recht ‚Hi‘ als unhöflich, heute ist es etabliert. Auch im beruflichen Kontext ist ‚Hallo‘ beliebt. Es unterscheidet nicht zwischen Siezen und Duzen, geht aber auch nicht so sehr auf eine persönliche Ebene wie ‚Mahlzeit!‘, das mit dem Bezug zum Essen intimer wirken kann.“

„Mahlzeit!“ als Umgehung des Hitlergrußes

In der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft hatte „Mahlzeit“ manchmal sogar etwas von Widerstand. So gibt es Berichte, dass „Mahlzeit“ damals für manche eine willkommene Alternative war, um den Hitlergruß zu umgehen, wie Glauninger sagt. Viele Nazis akzeptierten wohl, dass der sogenannte „Deutsche Gruß“ dem sozusagen noch deutscheren Gruß „Mahlzeit!“ unterliegen dürfe.

Im Duden, der den Begriff „Mahlzeit“ auf das spätmittelhochdeutsche „malzit“ (festgesetzte Zeit eines Mahls) zurückführt, findet man außerdem den Hinweis auf die Redensart „Prost Mahlzeit!“ für „Das ist ja eine schöne Bescherung!" oder „Das kann ja heiter werden!". Diese ironische Verwendung ist bereits bei den Brüdern Grimm belegt – zum Beispiel als Ausdruck des Missmuts oder der negativen Überraschung. Friedrich Schiller benutzte die Wendung „Prost Mahlzeit!“ schon 1798 im Drama „Wallensteins Lager“.

Ob der Mittagsgruß nun wirklich ganz aus dem Wortschatz der Menschen verschwinden oder sich vielleicht sogar ein neuer Gruß zur Mittagszeit etablieren wird, das wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. „Grußformeln sind ein interessantes Thema, weil sie irgendwie jeden im Alltag angehen und ein Basiskommunikationsmittel sind“, so Glauninger. „Wie alles in der Sprache unterliegen sie steter Veränderung – und auch durch das Internet und die sozialen Medien erleben wir einen noch schnelleren Wandel von Sprache, Gesellschaft und Konventionen.“

io/sts (mit dpa)