Ein Junge liest ein Buch.

Jungen lesen einfach nicht gern?

Mädchen lesen besser als Jungen. Dafür sind sie schlechter in Mathe – solche Klischees sollte man besser für sich behalten. Denn sie können vor allem Jungen demotivieren, haben Hamburger Forscher herausgefunden.

Bei der letzten Pisa-Studie aus dem Jahr 2018 haben Jungen beim Lesen wieder schlechter abgeschnitten als Mädchen. Forscher rätseln, woran das liegen könnte. Hamburger Wissenschaftler nennen nun Geschlechter-Klischees als einen möglichen Grund. Diese können positive oder negative Auswirkungen auf die Lesefreude der Kinder haben – und damit auch auf ihre Leseleistung. „Stereotype beeinflussen den Kompetenzglauben der Kinder“, sagt Psychologin Francesca Muntoni von der Universität Hamburg. Sie ist Hauptautorin einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Child Development“ veröffentlicht wurde.

Für die Studie hatten die Hamburger Wissenschaftler die Antworten und Leistungen von 1508 Kindern der fünften und sechsten Klasse ausgewertet. Die Mädchen und Jungen aller Schulformen waren mit einem Abstand von eineinhalb Jahren zweimal zu Geschlechter-Stereotypen rund um das Lesen befragt worden. Sie sollten unter anderem bewerten, ob Mädchen oder Jungen besser lesen, wer von beiden mehr Spaß am Lesen hat und wer mehr liest. Zudem sollten sie ihre eigene Lust am Lesen und ihr Können einschätzen. Auch das tatsächliche Leseverständnis wurde getestet.

Das Ergebnis der Studie: Jungen, die besonders fest daran glaubten, dass Mädchen besser lesen, schätzten ihre eigene Lesekompetenz eher gering ein und lasen weniger gerne. Sie schnitten auch in den Tests schlechter ab. Bei den Mädchen waren die Auswirkungen von Rollen-Klischees geringer.

Für die Jungen können derartige Vorurteile dazu führen, dass sie weniger motiviert sind und geringeres Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben. Sie lesen vermutlich weniger, als sie es eigentlich tun würden, wenn sie nicht mit Rollen-Klischees konfrontiert wären. Aus Leselust wird Lesefrust, und „das beeinträchtigt dann wiederum die Leseleistung“, sagt Francesca Muntoni.

Die Autoren und Autorinnen der Studie empfehlen sowohl Eltern als auch Lehrkräften, mehr auf die persönlichen Stärken der Kinder zu achten und damit geschlechtsneutral mit ihnen umzugehen. Väter sollten ihren Söhnen mehr vorlesen und im Unterricht sollten mehr Texte behandelt werden, die Jungen spannend finden. Zudem sollten die Kinder individueller gefördert werden. „Lehrkräfte müssen lernen, mit dieser Heterogenität umzugehen – und das am besten schon in der Ausbildung“, sagt Francesca Muntoni.

sts/ip (dpa)